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Die Rhetorik-homepage.ch ist ein Lehrbuch der systematischen Rhetorik, das im Zusammenhang mit einem Proseminar am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg konzipiert worden ist.

Was ist Rhetorik?

Rhetorik bezieht sich auf das Studium und die Verwendung von schriftlichen, gesprochenen und visuellen Sprache. Es untersucht, wie Sprache verwendet wird, um soziale Gruppen zu organisieren und zu erhalten, Bedeutungen und Identitäten zu konstruieren, das Verhalten zu koordinieren, Macht zu vermitteln, Veränderungen zu erzeugen und Wissen zu schaffen. Rhetoriker gehen oft davon aus, dass die Sprache konstitutiv ist (wir werden durch die Sprache geprägt), dialogisch (im Gespräch zwischen sich und anderen), eng mit dem Denken verbunden ( „innere Sprache“) und wirtschaftliche Praktiken beinhaltet. Rhetorisches Lernen und schriftliche Ausdrucksform werden für das bürgerliche, berufliche und akademische Leben als unverzichtbar angesehen.

Die Rhetorik begann vor 2500 Jahren, zu Zeiten des Demostenes, Sokrates und Platon als das Studium der Rede- und Argumentationsformen, die für das öffentliche, politische und juristische Leben im antiken Griechenland wesentlich waren. Es hat seitdem eine reiche und vielfältige Weiterentwicklung durchgemacht.

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Nützliche Definitionen der Rhetorik
Uni Heidelberg Beitrag über „Rhetorik

Ausgewählte Definitionen der Rhetorik:

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Plato über Rhetorik:

Sokrates fragt: Muß nicht die Kunst der Rhetorik als Ganzes eine Art Beeinflussung des Geistes durch Worte sein, nicht nur an Gerichten und anderen öffentlichen Versammlungen, sondern auch an privaten Orten? Und muss es nicht die gleiche Kunst sein, die sich mit großen Fragen beschäftigt und klein ist, ihre richtige Beschäftigung, die bei wichtigen Angelegenheiten keinen Respekt mehr hat, als mit unwichtigen? Phaedrus, 261a-261b.

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Isokrates (353 v. Chr.) über Rhetorik:

Aber da wir die Fähigkeit haben, uns gegenseitig zu überreden und uns selbst zu gefallen, was wir wollen, vermeiden wir nicht nur, wie Tiere zu leben, sondern wir sind zusammengekommen, haben Städte gebaut, Gesetze gemacht und Kunst erfunden. Sprache ist für fast alle unsere Erfindungen verantwortlich. Es regierte in Angelegenheiten der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und Schönheit und Niedrigkeit, und ohne diese Gesetze konnten wir nicht miteinander leben. Darum widerlegen wir das Böse und preisen das Gute; Durch sie erziehen wir die Unwissenden und erkennen die Intelligenz. Wir halten es für gut, das klarste Zeichen eines guten Geistes zu sein, das es erfordert, und die wahrheitsgemäße, rechtmäßige und gerechte Rede betrachten wir als das Bild einer guten und treuen Seele. Mit Rede kämpfen wir um streitsüchtige Angelegenheiten, und wir untersuchen das Unbekannte. Wir benutzen dieselben Argumente, mit denen wir andere in unseren eigenen Überlegungen überzeugen; wir nennen diejenigen, die in einer Menge „rhetorisch“ sprechen können; Wir betrachten als solide Berater diejenigen, die sich am besten mit öffentlichen Angelegenheiten auseinandersetzen. Wenn man die Macht des Diskurses zusammenfassen muss, werden wir feststellen, dass nichts ohne Umsicht ohne Sprache geschieht, dass die Rede der Anführer aller Gedanken und Handlungen ist und dass die intelligentesten Menschen es am meisten benutzen.

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Aristoteles (um 350 v. Chr.) über Rhetorik:

Lassen Sie die Rhetorik als Fähigkeit definieren, in jedem einzelnen Fall die verfügbaren Überzeugungsmöglichkeiten zu sehen. Dies ist die Funktion keiner anderen Kunst; für jeden der anderen ist lehrreich und überzeugend über sein eigenes Thema: zum Beispiel Medizin über Gesundheit und Krankheit und Geometrie über die Eigenschaften von Größen und Zahlenarithmetik und ähnlich im Fall der anderen Künste und Wissenschaften. Aber die Rhetorik scheint das Überzeugende von „dem Gegebenen“ sozusagen zu beobachten. Das ist auch der Grund, warum wir sagen, dass es kein technisches Wissen einer bestimmten, definierten Gattung [von Subjekten] beinhaltet.

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Rhetorica ad Herennium (um 80 v. Chr.) über Rhetorik:

Die Aufgabe des Redners besteht darin, die Angelegenheiten, die das Gesetz und die Gewohnheit für die Zwecke der Staatsbürgerschaft festgelegt haben, in angemessener Weise zu erörtern und so weit wie möglich die Zustimmung seiner Zuhörer zu sichern.

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Cicero (ca. 90 v. Chr.) über Rhetorik:

Es gibt ein wissenschaftliches System der Politik, das viele wichtige Abteilungen umfasst. Eine dieser Abteilungen – eine große und wichtige – ist Beredsamkeit, die auf den Regeln der Kunst basiert, die sie Rhetorik nennen. Denn ich stimme nicht mit denen überein, die denken, die Politikwissenschaft brauche keine Beredsamkeit, und ich bin gewaltsam mit jenen einverstanden, die glauben, daß sie in der Macht und der Sachkenntnis des Rhetorikers völlig begriffen sind. Deshalb werden wir die rhetorischen Fähigkeiten als Teil der politischen Wissenschaft klassifizieren. Die Funktion der Beredsamkeit scheint so zu sein, dass sie in einer Weise spricht, die geeignet ist, ein Publikum zu überzeugen, das Ende ist, durch die Rede zu überzeugen.

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Friedrich Nietzsche (1872-73) über Rhetorik:

Was als „Mittel der bewussten Kunst“ „rhetorisch“ genannt wurde, war als Mittel der unbewussten Kunst in der Sprache und ihrer Entwicklung aktiv geworden, ja, die Rhetorik ist eine Weiterentwicklung, die vom klaren Licht des Verstandes geleitet wird künstlerische Mittel, die bereits in der Sprache vorkommen. Es gibt offensichtlich keine unrhetorische „Natürlichkeit“ der Sprache, auf die man sich berufen könnte; Sprache selbst ist das Ergebnis rein rhetorischer Kunst. Die Kraft, dasjenige zu entdecken und zu operiren, was Aristoteles Rhetorik nennt, ist in jeder Hinsicht eine Kraft, die zugleich das Wesen der Sprache ist; das letztere beruht ebenso wenig wie die Rhetorik auf dem, was wahr ist, auf dem Wesen der Dinge. Friedrich

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Woher kommt die Rhetorik?

Der Ausdruck Rhetorik kann aus dem griechischen „rhētorikḗ“ abgeleitet werden und bedeutet übersetzt so viel wie „Redekunst“ oder „Kunst der Redsamkeit“. Erst mit dem Beherrschen klarer Rhetorik können Menschen wirklich von einer Aussage überzeugt werden.  Durch gute Rhetorik sind sie befähigt Reden zu halten, denen die Zuschauer gerne zuhören und deren Inhalte auch im Gedächtnis bleiben.

Rhetorik ist Wissenschaft aber auch eine Kunst. Der wissenschaftliche Bestandteil behandelt die Art wirksam vorzutragen, er untersucht die antike Herkunft der Rhetorik und richtet sein Augenmerk besonders auf die Methoden und Stilmittel einer guten Rede. Ihr Hauptinteresse gilt der Theorie. Die Kunst der Rhetorik liegt in seiner kreativen Anwendung in der Praxis.  Wie ein Musiker kann auch der Rhetoriker eine Rede entwickeln, die in allen Belangen einfach ein „Treffer“ ist. Das Publikum ist von seiner Meinung überzeugt, es ist von der Präsenz des Redners beeindruckt klebt ihm an den Lippen. Häufigstes Ziel der Rhetorik ist, dass ein Auditorium die Meinung des Redners übernimmt und anschließend auch danach handelt.

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Warum ist Rhetorik so wichtig?

Rhetorik besteht nicht nur aus Theorie, sie lebt durch ihren Gebrauch. Ein guter Redner kann das, was ihm vorschwebt, überzeugend darlegen und seine Ideen bei der Zuhörerschaft in die Herzen pflanzen. Bei der Rhetorik geht es nicht zwingend darum, objektiv die besten Inhalte zu präsentieren. Die Fertigkeit eines guten Redners ist es, bei den Menschen etwas auszulösen. Das schliesst die Überzeugung des Publikums genauso ein, wie es zu schaffen, die Menschen innerlich zu bewegen.

Im antiken Rom geschah es, dass der berühmte Redner und Rhetoriker Cicero (106 – 43 v. Chr.) bei einer Zusammenkunft eine Rede auf dem Forum Romanum hielt, mit der er die versammelte Menschenmenge von seinem Standpunkt komplett überzeugte. Am  nächsten Tag sprach er erneut vor dem Volk und hielt eine Ansprache, in der er das 100 Prozentige Gegenteil vertrat. Ihm gelang es  lediglich durch die Anwendung seiner rhetorischen Fähigkeiten, das Volk zum Gegenteil umzustimmen.

Redekunst in Ihrer Anwendung dient der gezielten Beeinflussung und ist weder aus Wirtschaft noch aus Politik wegzudenken. Wer seine Ziele durchsetzen will, muss sie so überzeugend vermitteln, dass das Publikum geneigt ist, ihm zu folgen. Es reicht dazu nicht nur die reine Benutzung der Sprache. Denn eine rhetorisch erfolgreiche Rede zeichnet sich nicht nur durch die Worte aus, sondern vor allem durch die Körpersprache, die Geste, der Blick, die Intonation, die insgesamt sogar noch wichtiger sind. Darunter zählt auch die Ergriffenheit des Redners, der dann plötzlich in sich ruht, mit sich synchron läuft und durch seine Präsenz mitzureißen vermag. Wie bei einem Sänger oder Schauspieler gilt hier manchmal auch die Tagesform, es gibt auch „einfach schlechte Tage“, wo selbst ein guter Redner, zwar den Text identisch mit anderen gut gelaufenen Vorträgen hält, aber der Funke diesmal einfach nicht überspringen will.

Aber rhetorische Fähigkeiten dienen nicht nur dazu, Menschen von der eigenen Meinung zu überzeugen. Man braucht sie bei jeder Art von Rede. Auf einer Trauer-rede muss keiner überzeugt werden. Hier geht es darum, den Trauernden einen Abschied vom Toten zu ermöglichen. Im Gegensatz zu einer Motivationsrede kommt es hier auf die Wertschätzung des Lebens des Verstorbenen und dem Spenden von Trost an die Hinterbliebenen. Ein guter Vortragender schafft es dabei, selbst Personen zu rühren, die den Toten eigentlich gar nicht richtig kannten.

Die Redekunst zu beherrschen ist in mehrfacher Hinsicht hilfreich. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass einem rhetorische Fähigkeiten in die Wiege gelegt sein müssen.  Rhetorik ist wie jede andere Fähigkeit erlernbar.  je früher man sich damit beschäftigt, umso weiter kommt man darin. Das bezieht sich nicht nur auf das monologische Vortragen (Rede, Vortrag, Präsentation) sondern auch auf die Kommunikation im Allgemeinen. (Dialog: überzeugen, Verhandeln, Schlagfertigkeit, Smalltalk) Das hilft in jeder sprachlichen Situation, besonders wenn es um Auseinandersetzungen geht, die mit einer oder mehreren Leuten ausgetragen werden.

Die Geschichte der Rhetorik

Der Ursprung der Rhetorik liegt bei den alten Griechen. Die  redegewandten Sprecher konnten in der Athenischen Demokratie besser Ihre Anliegen in der Volksversammlung durchsetzen.  Ausserdem wurden rechtliche Streitigkeiten vor Gericht mündlich geregelt.  Dadurch genossen gute Redner hohes Ansehen und waren in der Gesellschaft meist erfolgreich.  Damals begannen die ersten Griechen sich damit zu befassen, ob man von den erfolgreichen Rednern nicht Systeme, Strukturen und Regelmässigkeiten herauskristallisieren könnte.  Es entstanden Schulen, in denen diese Erkenntnisse anderen Schülern weitergegeben wurden. Das war der Ursprung der Rhetorik.

Einer der ersten Rhetoriklehrer war Korax. Er lebte im fünften Jahrhundert vor Christus auf Sizilien, das damals eine griechische Kolonie war. Korax gilt, gemeinsam mit seinem Schüler Teisias, als Begründer der Rhetorik.

Er verfasste die ersten Lehrbücher der Rhetorik, von denen aber keines mehr erhalten ist. Überliefert ist jedoch, dass er jene Bestandteile einer wirksamen Rede analysiert hat, die bis heute noch gelehrt werden. Diese waren:

  1. Proemium (Einleitung)
  2. Narratio (Darstellung der Situation / des Sachverhalts)
  3. Argumentatio (Beweis der These oder Widerlegung von Gegenargumenten)
  4. Disgressio (Exkurs und weitere Erklärungen)
  5. Peroratio (Abschließender Epilog)

Auch wenn kein Lehrbuch mehr von ihm erhalten ist, findet man Verweise und Würdigungen der Erkenntnisse von Korax in Schriften großer Philosophen und Redner wie Platon, Aristoteles oder Cicero.

Grundlage des Rhetorikunterrichts im Mittelalter waren die Werke Ciceros „De inventione“ und „Rhetorica ad Herennium“. Ohne sie war damals ein Studium an europäischen Universitäten überhaupt nicht möglich. Bis ins 18.te Jahrhundert wurde die klassische Rhetorik gelehrt.

Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde die klassische Rhetorik allerdings weniger bedeutend. Goethe bezeichnete das Fach Rhetorik als „Schule des Verstellens“. Ähnliches ist von Bismarck überliefert und auch Immanuel Kant beschrieb in der „Kritik der Urteilskraft“, dass die Redekunst nur dazu da sei, die Schwäche des Gegners auszunutzen, anstatt eigene Argumente zu liefern.

Heute wird In Deutschland nur an der Universität Tübingen ein Rhetorik Studium angeboten. Als Nebenfach existiert ein Angebot auch an der Universität Salzburg.

Es gibt aber zahlreiche Rhetoriktrainer, die in Seminaren  für Manager, Politiker und interessierte Personen (die auf gute Dialog- oder Redefähigkeiten angewiesen sind) gute Rhetorik schulen. Dieses Wissen ist auch in unzähligen Rhetorikbüchern veröffentlicht.

Redaktionstipp in eigener Sache: Rhetorik wird in Rhetorikkursen und Rhetorik Seminaren geschult.

Wer einen Rhetorikkurs sucht, wird hier fündig: http://www.rhetorik-kurs.ch/

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Erstellung einer Rede

Aus der klassischen Rhetorik kommt die Einteilung in fünf Schritte, die jede Rede von der Idee bis zur Umsetzung durchläuft:

  1. Inventio (Argumentsfindung)
  2. Dispositio (Gliederung)
  3. Elocutio (Sprachgestaltung, Wortwahl, Pausen, etc.)
  4. Memoria (Auswendiglernen oder Einprägen der Rede)
  5. Pronuntiatio (Vortrag, stimmliche Ausführung, Körpersprache)

Redegattungen
Die klassische Rhetorik unterscheidet zwischen unterschiedlichen Redegattungen. Theoretisch kann jede Art der Mitteilung als Rede interpretiert werden, egal ob es um die Vermittlung von Wissen als Lehrer geht, der Mitteilung eines Sachverhalts in einem förmlichen Brief oder der politischen Rede, in der man seine Überzeugungen auf die Adressaten übertragen möchte.
All diese Redegattungen lassen sich jedoch als Untergattungen der drei Gruppen sehen, die bereits Aristoteles aufgezählt hat. Er unterschied folgende drei Gattungen:

  1. Gerichtsrede
  2. Beratungsrede / Entscheidungsrede
  3. Lob- und Festrede

Unterschiedliche Wirkungsweisen einer Rede

Es ist die Aufgabe eines guten Rhetorikers, die Wirkungsweise seines Vortrags korrekt vorherzusehen und sich für die richtige Methode zu entscheiden. Die Römer nannten dies „Officia oratoris“, was sich mit „Pflicht / Aufgabe des Redners“ übersetzen lässt. Um das Publikum zu überzeugen, ist es situationsabhängig unabdingar, die richtige Wirkung vorherzusehen. Grundlegend werden drei Wirkungsweisen unterschieden:

1. Docere (Vermitteln)
Docere bedeutet so viel wie „unterrichten“ oder „lehren“ oder und spricht die verstandesmäßigen Fähigkeiten der Zuhörer an. Dies erfolgt entweder über den Weg der Mitteilung von Fakten oder durch plausible Beweisführung.

2. Delactare (Unterhaltung)
Delactare bedeutet „erfreuen“ und spricht die Zuhörer eher auf der Gefühlsebene an. Reden dieser Gattung zeichnen sich meist durch sprachliche Schönheit und dem Erzeugens von Erstaunen, Lachen oder emotionale Ergriffenheit aus. Comedians sind Repräsentatnen dieser Art der Rede.

3. Movere (Bewegen)
Movere ist eine strittige  Wirkungsart. Übersetzen lässt es sich mit „bewegen“ oder „erschüttern“ und spricht die menschlichen Instinkte an. Vorrangig sollen hier starke Emotionen wie Angst oder Hass geweckt werden, was dazu führt, dass das Auditorium mehr überredet als überzeugt wird.

Letztes Update: 30. März 2019